Erinnern – aber richtig
Ein Denkmal für Helmut Kohl in Dresden, ein weiteres für die 89er-Bewegung in Leipzig – wer braucht das? Warum eine Debatte über die Erinnerungskultur guttut.
DIE ZEIT 06.01.2011
Der Kabarettist freut sich schon. Manfred Breschke läuft im Schneegestöber zu einer Baugrube unweit des Dresdner Hauptbahnhofs. »Hier stand ja früher das Lenin-Denkmal«, sagt Breschke. Das sei auch eine nette Vorlage gewesen. Aber Kohl in Bronze vor der Frauenkirche? Humoristisch schwer zu toppen! »Wohnt nicht der Biedenkopf neben der Kirche«, fragt Breschke, »Kohls alter Parteifeind?« Dann stünde der Rivale bald direkt vor seinem Fenster. »Nicht dass wir noch Heiner Geißler als Schlichter holen müssen.«
Ende Januar wird der Dresdner Stadtrat entscheiden, ob vor der Frauenkirche künftig an den Altkanzler erinnert wird. »Wir wollen Kohls Besuch am 19. Dezember 1989 würdigen«, sagt Sebastian Kieslich von der CDU. Vor den Trümmern am Neumarkt habe Kohl den unvergessenen Satz gesprochen: »Mein Ziel bleibt, wenn die geschichtliche Stunde es zulässt, die Einheit der Nation.« Kieslich hat den darauf einsetzenden Jubel noch in den Ohren und nun das Denkmal beantragt. »Die Form ist noch offen«, betont er. Doch das Kabarett spottet schon über die Wirtschaftswunder-Hand, die man bald, in Bronze gegossen, küssen könne. »Peinlich« nennt die Bürgerrechtlerin und Grünen-Stadträtin Ulrike Hinz den Antrag. »Wir haben 1989 den aufrechten Gang gelernt. Und jetzt sollen wir uns vor Kohl verbeugen?«
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