Ein Dorf macht Kohle

Die sorbische Ortschaft Schleife soll einem Tagebau weichen – fast wirkt es so, als freue sie sich darauf. Geschichte einer Bescherung

DIE ZEIT, 22.12.2011

Man muss sich Schleife vorerst als einen friedlichen Ort vorstellen. Die Häuser sehen aus, als hätte der liebe Gott sie bei einem Spaziergang verstreut: So großzügig verteilen sie sich zwischen Feldern und Wäldern im flachen Lausitzer Land. Nur bei Südostwind kann man am Dorfrand die Bagger des fünf Kilometer entfernten Braunkohletagebaus Nochten hören. Jene Bagger, die in einigen Jahren wohl auch Teile von Schleife vernichten werden. Denn das Dorf der sorbischen Minderheit soll für den deutschen Energiehunger weichen – zumal in Zeiten des Atomausstiegs. Mehr als 1.500 Menschen müssten ihre Häuser räumen. Doch kaum jemand wehrt sich.

Wenn man die Menschen in Schleife fragt, was sie über den Tagebau denken, gehen die meisten schweigend weiter. Nirgendwo steht ein Schild: »Rettet unsere Heimat!« Der Bürgermeister sagt: »Proteste wie in Horno oder Heuersdorf werden Sie bei uns nicht erleben.« Vernehmbaren Widerstand leistet nur eine 73-jährige Rentnerin. Edith Penk lebt am Dorfrand in einem Einfamilienhaus, das ihre Eltern in den 1930er Jahren erbaut haben und das sie mit ihrem Mann später aufgestockt hat. »Jeder Ziegel ging mehrfach durch unsere Hände«, sagt sie. »Mich kriegt hier niemand weg.« Da müsse die Polizei sie schon wegtragen.

Penk liebt ihr Dorf und ärgert sich über seine Bewohner. Im Jahr 2009 gab es eine Umfrage. Die Schleifer sollten darüber Auskunft geben, ob sie schon jetzt die drohende Umsiedlung planen wollen oder lieber noch abwarten möchten – denn es besteht kein Grund zur Eile. Zwar will der Energiekonzern Vattenfall den Flöz unter Schleife mit rund 310 Millionen Tonnen Kohle ausbeuten, doch bis der Antrag die politischen Gremien durchlaufen hat, dauert es noch bis Ende 2012. Trotzdem sprachen sich reichlich 70 Prozent dafür aus, schon sogleich ein neues Dorf zu entwerfen.  Weiterlesen auf ZEIT Online

Über ralfgeissler

Journalist

22. Dezember 2011 von ralfgeissler
Kategorien: Politik, Wirtschaft | Schreibe einen Kommentar

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