Genosse Genießer
Sebastian Scheel sieht aus wie ein Banker und war auch schon mal Mormone. Kann so einer Spitzenkandidat von Sachsens Linken werden?
DIE ZEIT, 03.05.2012
Der Mann, der ein Hoffnungsträger für Sachsens Linke sein will, weiß, wie man sich ganz unten fühlt. Sebastian Scheel hat als junger Mann von 19 Jahren Müll sortiert. Er stand als Leiharbeiter an einem Förderband in Berlin und stocherte in Hausabfällen. Der Dreck der Hauptstadt zog an ihm vorbei. »Einmal habe ich ein paar entsorgte Bücher mitgenommen«, sagt Scheel. Um die habe es ihm leidgetan.
Heute sitzt er in einem dunklen Anzug von Calvin Klein bei einem Milchkaffee im Sächsischen Landtag. Ein schlanker Mittdreißiger, der ein weißes Hemd mit Manschettenknöpfen, Seidenkrawatte und italienische Schuhe trägt. Nichts erinnert mehr an jene Zeit, als er sich mit Hilfsarbeiterjobs etwas dazuverdiente. Salonkommunist nennen ihn Spötter heute. Scheel lächelt darüber. »Im Herzen bin ich Punk geblieben«, sagt er. Ein Punk mit Designerbrille.
Ihn wollen viele in der sächsischen Linken für die Landtagswahl 2014 zum Spitzenkandidaten ausrufen. »Wenn die Partei mich will, kann ich mir eine Kandidatur gut vorstellen«, sagt Scheel. Für manchen ist er schon »Tillichs härtester Gegner« (Bild). Doch Härte ist nicht sein auffälligstes Merkmal. Scheel ist ein Suchender. Er testet gern. Sich selbst und andere. Weiterlesen