Matusseks große Kinderei

Kulturpopanz, Choleriker und peinlicher Mensch – Spiegel-Redakteur Matthias Matussek musste sich schon viel anhören. Seine Feinde sind zahlreich. Ebenso seine Fans. Denn Matusseks Videoblog gehört zu den skurrilsten der Republik. Beim Dreh kann der 54-Jährige vor allem eins: Noch einmal Kind sein.

journalist 12/2008

In diesen Minuten sieht er unendlich glücklich aus. Matthias Matussek steht auf seiner Dachterrasse in Hamburg-Uhlenhorst. Das Wetter ist miserabel. Eine feuchte Kälte kriecht die Hauswand hoch, feiner Dunst liegt über der Stadt. Doch Matusseks Augen glänzen wie die eines Fünfjährigen, der gerade seinen ersten Witz erzählt. Er trägt ein blaues afrikanisches Seidengewand mit goldenen Stickereien und lächelt in eine Videokamera.

„Ich befinde mich hier in Kenia, da wo Barack Obamas Großmutter wohnt“, sagt Matussek ins Mikrofon, während der deutsche November-Wind um seine Ohren pfeift. „Wie Sie hier sehen, hat Obama über Nacht jedem ein weißes Haus hingestellt, ein paar Bäume dazwischen. Da hinten sogar einen See.“ Matussek dreht sich kurz zur Alster um, die dunkelgrau durch den Dunst schimmert. Seine Stimme hallt über die Dächer. „Die Leute in Kenia sind völlig aus dem Häuschen. Sie rufen immer wieder Obama, Obama“, erzählt er, während unten auf der Straße ein LKW vorbeirauscht.

Ist das komisch? Oder peinlich? Auf jeden Fall ist es herrlich absurd. Einer der streitbarsten Feuilletonisten des Landes, ein 54 Jahre alter Mann, der Bücher über den deutschen Patriotismus und Texte über den dänischen Philosophen Sören Kierkegaard geschrieben hat, spielt über den Dächern Hamburgs den Clown. Noch drei, vier Einstellungen, dann ist das Material für die neue Ausgabe von Matusseks Video-Blog auf Spiegel Online komplett.

In der siebenminütigen Schmonzette soll es diesmal um die weltweiten Reaktionen auf die Wahl des US-Präsidenten gehen. Matussek wird auf seinem Dach noch als Russland-Korrespondent Maturski auftreten und anschließend in einem weißen Hemdchen den indischen Reporter Matur Singh mimen.

Seit reichlich zwei Jahren macht Matussek das schon: Video-Bloggen. Und er wird dafür so geehrt wie verachtet. Internet-Kommentatoren nannten ihn einen „selbstverliebten, möchtegerncoolen Kulturpopanz“ und auch schon „ekelhafter und peinlicher Mensch“. Andere dagegen priesen Matusseks Fähigkeit zur Ironie und verglichen ihn mit Harald Schmidt. Eines jedenfalls steht fest: Kein anderer deutscher Videoblogger lockt so viele Zuschauer wie der Spiegel-Redakteur. Zwischen 30.000 und 100.000 Internetnutzer sehen sich seine Filme regelmäßig an. Wer es skurril oder freakig mag, kommt dabei immer auf seine Kosten.

„Es ist eine große Kinderei“, sagt Matussek. Wir stehen in seiner Wohnung unterhalb der Dachterrasse. Ein riesiges Appartement. An den Wänden hängen Fotografien aus seiner Zeit als Spiegel-Korrespondent in New York und Rio de Janeiro. Dazu Spinnen und Schmetterlinge hinter Glas sowie ein expressionistisch anmutendes Frauengemälde von Gernot Kissel.

Es ist jede Menge Besuch da. Spiegel-Online-Redakteur Jens Radü baut vor dem Bücherregal die Kamera für die nächste Einstellung auf. Währenddessen trägt ein zweites Filmteam Lampen und Tontechnik durch die Räume. Die Kollegen wollen eine Dokumentation über „Die Welt der Kritiker“ für Arte drehen. Matussek soll als Experte zu Chancen und Grenzen der Kritik im Internet befragt werden. Auf der cremefarbenen Eck-Couch blättert eine Praktikantin von Spiegel Online ihre Aufzeichnungen durch. Matusseks Ehefrau Ulrike und eine Freundin servieren Milchkaffee.

„Schon Goethe hat Maskenspiele gemacht, hat Reimspiele gemacht im West-östlichen Divan“, erzählt Matussek gut gelaunt über sein Blog-Konzept und merkt gar nicht, dass das Arte-Team ein wenig ungeduldig wird. Die Albernheiten passen nicht so recht in ihren Zeitplan. „Wenn Sie das mal nachlesen. Das ist so kindisch. Ich glaube, die Menschen früher haben sowieso mehr gespielt. Und wir machen hier ein großes Spiel.“

Begonnen hat Matusseks Blogger-Leben allerdings ausgesprochen ernsthaft im Herbst 2006. Aus jenen Tagen stammt der seriös klingende Titel des Blogs: „Matusseks Kulturtipp“. Der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust gab damals zwei Anweisungen: Sachlich sollten die Videos sein und keine Ich-Bezüge haben. Daran sieht man, dass Aust vom Bloggen nicht viel verstand. Matussek schmunzelt über die Vorgaben noch heute. „Nach acht Folgen waren wir beim inneren Monolog, nach zwölf Folgen habe ich mich ausgezogen und nach fünfzehn Folgen Elvis imitiert.“

Inzwischen geht es in jeder Folge vor allem um eins: den Autor selbst. Mal setzt sich Matussek als Fernsehreporter in Szene, mal spielt er mit angeklebten Oberlippenbart die gefälschten Hitler-Tagebücher nach. In einer Folge ist er als arroganter, Zigarre paffender Hollywood-Regisseur zu sehen. In einer anderen gibt er sich vor indischer Kulisse als neuer Bollywood-Star mit eigenem Tempel aus.

In solchen Geschichten parodiert er seine eigene Eitelkeit. Inzwischen gibt es auf Spiegel Online sogar einen Matussek-Fan-Shop – als Gipfel des inszenierten Größenwahns. Wenn er mal ohne Verkleidung auskommt, erklärt Matussek in fünf Minuten anhand sehr privater Foto-Montagen die Kunst der Akt-Fotografie oder sucht im Tierpark Hagenbeck Deutschlands neuen Super-Knut. Sämtliche Geschichten entwickelt er gemeinsamen mit dem 28-jährigen Radü. Gedreht wird fast immer in Matusseks Wohnung. Und das kann Stunden dauern.

Während seine Gäste gelangweilt auf der Couch herumlümmeln, hat sich der Meister noch einmal ins Schlafzimmer an seinen Rechner zurückgezogen, um der Obama-Folge den letzten Schliff zu verleihen. Nach zehn Minuten kehrt Matussek mit mehreren A4-Seiten in der Hand wieder ins Wohnzimmer zurück und ruft: „Sie müssen alle mitspielen. Wir brauchen fünf Leute.“

Niemand widerspricht. Irgendwie haben es ohnehin alle geahnt. Wer Matussek trifft, muss immer damit rechnen, in seinem Blog aufzutauchen. Auf Reisen trägt der Spiegel-Journalist stets eine kleine Digitalkamera bei sich, mit der er schon mal Promi-Partys sprengt, weil er ungebeten sämtliche Gäste interviewt. Die besten Szenen werden dann als kurze Einspieler im Blog verwurstet. So waren schon Henry Kissinger, Michel Friedman, Franz Josef Wagner und Mathias Döpfner zu sehen. Selbst bei einem privaten Abendessen mit dem 80-Jährigen Schriftsteller Martin Walser zog Matussek seine Kamera aus der Westentasche.

„Das war eine ganz heikle Situation. Du musst genau wissen, wann Du das machen kannst. Aber ich bin nun mal nicht nur Essayist, sondern auch Reporterschwein.“ In der verwackelten Aufnahme sieht man die Herren vor Weingläsern und Wildschweinbraten über Walsers neuen Roman und Goethe philosophieren. Am Ende rezitiert Matusseks Frau auf Russisch aus einem Puschkin-Gedicht. Die Parodie auf die Promi-Dinner-Shows im Privatfernsehen ist zugleich anarchistisch und amüsant.

Ironie ist Matusseks Stärke. Und Selbstironie. In der Folge vor den US-Wahlen hat er als unautorisierter Wahlkampfhelfer von John McCain ein paar Leute in Florida angerufen, um Stimmen für den republikanischen Kandidaten zu werben. Das misslang allerdings gründlich, weil er sämtliche Gesprächspartner fürchterlich anbrüllte – eine Anspielung auf sein Image als Choleriker, das er einfach nicht mehr los wird.

Der lustige Video-Blogger gilt unter Kollegen nämlich als ausgesprochen unbeherrscht. Mehr als zwei Jahre war Matussek Feuilleton-Chef beim Spiegel. In dieser Funktion soll er immer wieder laut und ausfällig gegenüber Kollegen geworden sein. Vom „Brüllaffen in Hosenträgern“ war die Rede. Im Dezember 2007 hat ihm der Spiegel-Verlag die Leitungsfunktion wieder entzogen – gleich nachdem auch Stefan Aust gefeuert wurde. „Es gibt bestimmte Leute, denen gehe ich so wahnsinnig auf den Keks, die provoziere ich dermaßen – allein dadurch, dass ich da bin. Ich weiß auch nicht. Irgendwas habe ich an mir, das die auf die Palme bringt“, sagt Matussek und klingt ein bisschen verzweifelt.

Immer wieder steht diese dumme Geschichte über seinen Auftritt im ARD-Presseclub in den Zeitungen. Im Juni 2006 soll er dort den stellvertretenden Chefredakteur des Handelsblatts Roland Tichy niedergebrüllt haben. Als die Kameras abgeschaltet wurden, habe Matussek Tichy mit den Worten gedroht: „Sie sind ein ganz linker Finger! Sie mache ich fertig! Sie merke ich mir!“ Das behauptet zumindest die Süddeutsche Zeitung.

„Blödsinn“, sagt Matussek. „Wenn es nicht drei Medienjournalisten in Deutschland gäbe, die mich hassen, wäre die Sache längst vergessen. Tichy hatte mich damals einen Nationalisten genannt, obwohl er mein Buch über die Deutschen gar nicht gelesen hatte. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Nun steht diese Geschichte prominent im Netz und sogar mein Sohn wird gefragt, was er denn für einen cholerischen Vater habe. Das ist echt großer Mist.“

Die Anfänge von Matusseks Rabauken-Image reichen ins Jahr 2004 zurück. Damals erschien Thomas Brussigs Wenderoman „Wie es leuchtet“. Eine zentrale Figur in der Geschichte ist der Reporter Leo Lattke, für den Matussek die Vorlage lieferte. Lattke wird in dem Buch als arroganter Kotzbrocken mit Schreibblockade charakterisiert, dessen Gesichtsausdruck „stete Anschnauzbereitschaft“ signalisiert, und der sich als „Gröraz“ aufführt, als „Größter Reporter aller Zeiten“.

Auch wenn so mancher Kollege die Beschreibung nach Auskunft des Online-Lexikons Wikipedia „ziemlich lebensnah“ finden mag, wird sie Matussek nicht gerecht. Er ist ein großer Junge. Aufbrausend, manchmal unbeherrscht, oft eitel. Aber kein Kotzbrocken.

Beim Dreh des Obama-Blogs in seiner Wohnung will er eine russische Zeitung in die Kamera halten, die als einzige an diesem Tag nicht den frisch gewählten Politiker auf der Titelseite hat. Doch weil das Blatt verschwunden ist, raunzt er seine Frau an: „Ulrike, wo hast Du denn dieses Russenblatt nur hin?“ Keine zwei Minuten später ist die Zeitung wieder da und Matussek preist die Klugheit seiner Gattin. „Sie hat in Moskau an der Lomonossow-Universität studiert“, erzählt er voller Stolz und lässt sich die russische Schlagzeile übersetzen. Die beiden sind seit 18 Jahren zusammen. Doch zwischenzeitlich hat es auch schon heftig gekracht. Die Beziehungskrise lieferte die Vorlage für Matusseks Buch über „Die vaterlose Gesellschaft“. Eine Polemik gegen die Benachteiligung von Männern im Falle einer Scheidung.

„Matussek ist ein Mann, der aus ganzem Herzen lieben kann, aber genau so leidenschaftlich hasst“, sagt ein Kollege, der ihn gut kennt. „Niemand will ihn zum Feind haben. Ein manischer Mensch. Ungeheuer intensiv.“ In der Neuauflage von „Wie es leuchtet“ hat Thomas Brussig in einem Vorwort freundlich darauf hingewiesen, dass er Matusseks Texte großartig findet und Leo Lattke eine überzeichnete Karrikatur ist. Matussek beruhigt das ein bisschen. „Klar, ich trete manchmal Türen ein“, sagt er über sich selbst. „Aber ich glaube nicht, dass ich dauernd mit einer arroganten Fresse rumlaufe. Auch ich stecke doch voller Selbstzweifel.“

Das wiederum klingt nach Koketterie. Wer sich einmal durch Matusseks Reportagen gearbeitet hat, durch seine zahlreichen Essays oder Bücher wie das mit dem Titel „Wir Deutschen – Warum die anderen uns gern haben können“ – der wird um die Einschätzung nicht herum kommen, dass Matusseks Urteile immer scharf sind. Er schreibt präzise, eindeutig. Er kann polemisch und ironisch sein. Vernichtend oder auch über alle Maßen lobend. Doch von Zweifeln liest man selten.

Er selbst hat einmal geschrieben „Reportagen sind Liebesaffären oder Hassgeschichten. Nur dann sind sie gut.“ Und im Grunde hätte man beim Spiegel schon wegen Matusseks Texten wissen können, dass man sich da keinen Gremientypen als Ressortleiter ins Boot holt, der stundenlang die Hausmeinung abwägt.

Auf Matusseks Esstisch in der Küche steht ein Karton mit einigen Ausgaben seines neuesten Buches „Als wir jung und schön waren“. Die Post hat es gerade aus der Druckerei gebracht. Matussek beschreibt darin die Generation, die nach 1968 kam. Seine Generation.

Einen kurzen Auszug hat er bereits vor Erscheinen ins Internet gestellt. Es geht darin um seinen letzten Tag als Schüler im Jesuiten-Internat, in dem er zwei große Lieben zurückließ: Rainer, einen schlanken, blonden Rechtsaußen, mit dem er eine heftige Schmuse-Affäre hatte, und Vivi Bach, deren Dekolleté-Foto unter seinem Pultdeckel klebte, und das sich leider nicht mehr ablösen ließ. Doch dem Abschiedsschmerz folgten weitaus aufwühlendere Zeiten. Nach dem Internat zog Matussek in eine maoistische Wohngemeinschaft, um später sein Studium abzubrechen und mit Ende Zwanzig wieder zum Katholizismus zurück zu finden.

Das Buch hat er seinem 14-Jährigen Sohn gewidmet. „Ich will ihm mitgeben, dass Erfolg nicht alles im Leben ist“, sagt Matussek, während er mit nacktem Oberkörper in seinem Schlafzimmer in einem Wäschehaufen wühlt – auf der Suche nach dem Oberteil für die nächsten Video-Sequenz. „Man darf auch mal Scheiße bauen. Die Kids sind heute doch schon in der Grundschule auf Karriere getrimmt und haben einen Terminkalender wie ein Manager. Das finde ich nicht gut.“

Vor ein paar Wochen war Matussek bei den Jugendmedientagen in Mainz. Da saß er – der Mitfünfziger – vor lauter Teenagern und Studenten, um zu erzählen, was im Internet alles geht. „Das tolle für mich ist, dass ich bei solchen Veranstaltungen ein Publikum erreiche, das den Spiegel gar nicht mehr liest“, sagt Matussek. „Wenn mich auf der Straße ein Student anspricht, dann eigentlich nur, weil er den Blog gesehen hat. Meine Texte kennen die gar nicht.“

Weil er während der Vorbereitung auf die Veranstaltung keine Fachliteratur fand, die er den Teilnehmern empfehlen konnte, setzte sich Matussek das Wochenende darauf selbst an seinen Schreibtisch und tippte fünfzehn Seiten zur „Theorie und Praxis des Videoblogs“, die er an alle Teilnehmer per E-Mail verschickte. Gleich auf der ersten Seite empfahl er das Auswendiglernen von Gedichten und brachte den Hinweis unter: „Es macht sich für jeden Blogger extrem gut, wenn er Schillers Wallenstein kennt.“

Die deutschen Klassiker finden auch in seinem „Kulturtipp“ immer wieder ihren Platz. In den vergangenen Monaten durfte regelmäßig eine Goethe-Handpuppe an den unpassendsten Stellen Gedichte rezitieren oder über das Regie-Theater meckern. Im 100. Blog hat der Geheimrat in einer eigens dafür produzierten Jubiläums-Talkshow mit Reinhold Beckmann Indiskretionen aus der Blog-Produktion verraten. „Ich musste Goethe daraufhin feuern“, erzählt Matussek und feixt. Als Ersatz darf künftig eine Schiller-Puppe auftreten.

„Ich muss mal sehen, ob ich mit Schiller klar komme“, frotzelt Matussek und hat wieder diesen schelmischen Blick drauf. „An Schiller gefällt mir nämlich seine Prüderie nicht. Goethe ist viel lässiger und lockerer. Als Schiller bei Goethe zu Gast war, musste dieser seine wilde Ehe mit Christiane verheimlichen, weil Schiller das nicht geduldet hätte. Das ist so eine Seite an Schiller, die ich nicht mag. Die andere Seite, die Räuber-Seite, die Anarcho-Seite, die Rebellen-Seite finde ich natürlich gut.“

Im Blog über Obama erhält Schiller keinen Auftritt – obwohl der künftige US-Präsident ja auch etwas Revolutionäres hat. Dafür kommt der griechische Tragödiendichter Aischylos zu Ehren. Matussek steht in seinem Wohnzimmer und verteilt an die Gäste Obama-Masken und Textauszüge. „Ihr müsst Euch hinter mich stellen und das vortragen“, ordnet er an. „Ihr seid ja nicht zum Vergnügen hier!“

So stehen wir nach einer reichlichen Stunde alle hinter seinem Schreibtisch, halten Obamas Konterfei vor die Gesichter und rezitieren aus einer matussekschen Fassung des „Gefesselten Prometheus“.

„Wir sind das Gute in Dir. Wir sind Obama. Du bist zu hart. Und fügst selbst in diesen bitteren Qualen Dich nicht“, ruft unser Chor und fordert Matussek auf, eine Liste mit guten Taten zu erstellen. „Wie wäre es mit: Claudia Roth nicht mehr beleidigen“, fragt Matussek. „Ach ne, das schaffe ich nicht.“ Und der Chor antwortet: „Yes, you can!“ Darauf Matussek: „Vielleicht den Müll runter tragen?“ Und der Chor antwortet wieder: „Yes, you can!“  „Keine Daimler-Aktien mehr kaufen?“ „Yes, you can!“ „Eh, mein Buch bewerben, mein eigenes Buch? Aber nein. Das geht nicht.“ „Yes, you can!“

So bekommt er in dem siebenminütigen Video neben einer Presseschau zu Obama, fiktiven Live-Schalten nach Kenia, Russland und Indien sowie dem Aischylos-Dialog auch noch einige Sekunden Werbung in eigener Sache unter. Vier mal müssen wir das durchspielen, dann ist auch Jens Radü zufrieden und Matusseks Ehefrau Ulrike bedankt sich für die Mitwirkung mit einer Großbestellung beim Asiaten. Am Esstisch fragt sich Matussek dann: „Vielleicht war es diesmal doch zu dick aufgetragen, zu viel Theater. Die besseren Blogs sind ja eigentlich die inhaltsreichen.“ Da schimmert er plötzlich doch durch: der Zweifler. Doch der Eindruck verflüchtigt sich schnell.

Am Ende steht Matussek an der Eingangstür seiner Dachgeschosswohnung, wo ein zwei Meter hoher Nachdruck einer Spiegel-Titelseite jeden, der aus dem Fahrstuhl steigt, fast erschlägt. „Mozart – das himmlische Kind“ steht dort unter einer Zeichnung des jungen Komponisten. „Das war der erste Spiegel-Titel, den ich als Ressortleiter im Feuilleton geschrieben habe. Und es war das am schlechtesten verkaufte Heft des Jahres“, sagt Matussek und macht eine längere Pause.

Man muss schon Narzist sein, um sich die eigenen Titelseiten als vergrößertes Reprint vor die Tür zu hängen. „Wissen Sie“, sagt Matussek zur Verabschiedung. „Bei diesem Bild schließt sich der Kreis. Sie sehen dort Mozart. Ein junges Genie. Und man sollte nie aus der Pubertät heraus kommen. Das hat Goethe gesagt.“ Dann lächelt Matussek wieder. Die Tür fällt ins Schloss. Er hat den Alten beim Wort genommen.

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01. Dezember 2008 von ralfgeissler
Kategorien: Medien | Schreibe einen Kommentar

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