Käpt’n Fabio
Fabio Reinhardt wollte Journalist werden. Jetzt sitzt er als Pirat im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Geschichte einer überraschenden Karriere.
journalist, 11/2011
Die Revolution riecht nach abgestandener Luft und schmeckt nach Club Mate. Sieben Piraten beugen sich im Berliner Abgeordnetenhaus über ihre Laptops. Es ist Montagabend. Offene Vorstandsversammlung der Fraktion. Einer nippt an seiner Flasche, ein anderer nuschelt die Tagesordnung in den Raum. Jedes Wort und jedes Husten wird live ins Internet übertragen. „Wir wollen unsere Arbeit so transparent wie möglich machen“, sagt Fabio Reinhardt, 30 Jahre alt und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Transparenz sei das Wichtigste in einer Demokratie.
Unter den Berliner Piraten wirkt Reinhardt am ehesten wie ein Politiker. Weiche Gesichtszüge, lila Hemd, dunkles Sakko. Er hat sich gründlich rasiert und formuliert Sätze wie: „Die Kombination aus jungen, motivierten Menschen, flachen Hierarchien und schneller, digitaler Kommunikation birgt ein enormes Potenzial, um Politik zu gestalten und miteinander gesellschaftliche Lösungen zu finden.“ Ein Satz für alle. Man kann ihm schwer widersprechen.
Wer Reinhardt in der Sitzung besucht, lernt, dass Politik auch unter Piratenflagge ermüdend sein kann. Der Fraktionsvorstand diskutiert über Arbeitsgruppen, verlost die Sitzverteilung der Abgeordneten im Plenum und entscheidet, ob bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments alle das gleiche T-Shirt tragen sollen. Reinhardt stimmt dagegen. „Ein Lehrerseminar aus Rheinland-Pfalz möchte sich mit uns treffen“, sagt er zu Tagesordnungspunkt 4: Berichte. Er erzählt im Vorstand von zwei Artikeln, die er geschrieben hat, und dass er am Wochenende nach Wien fliegt – zu den Österreicher Piraten.
Reinhardt hat schon den halben Tag in diesem Raum verbracht. Es gibt für die Fraktion noch keine Arbeitszimmer im Berliner Abgeordnetenhaus, weil die FDP, die bei der Wahl gnadenlos unterging, für ihren Auszug seltsam viel Zeit benötigt. Raum 109 ist für die Piraten derzeit Büro, Sitzungssaal, Sekretariat und Pausenzimmer in einem. Ein ständiges Kommen und Gehen. „Es fühlt sich an wie in einer WG“, sagt Reinhardt. Schwer zu sagen, ob er das gut oder schlecht findet. Weiterlesen